Zeitraum | 29.02.2008 – 29.04.2012 |
Leitung | Maria Mrochen |
Finanzierung | Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) |
Kooperationspartner | Ingo Eilks und Timo Feierabend (Uni Bremen) Corinna Hößle und Helen Oelgeklaus (Uni Oldenburg) Jürgen Menthe (Uni Oldenburg) |
Mitarbeiter | Prof. Dr. Dietmar Höttecke, Maria Mrochen |
Homepage | http://www.idn.uni-bremen.de/klimawandel/ |
Einstellungen und Vorstellungen zu Bewertungskompetenz
Einstellungen und Vorstellungen zu Bewertungskompetenz von Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Fachkulturen
Gemäß den verbindlichen Nationalen Bildungsstandards soll im naturwissenschaftlichen Unterricht allgemein bildender Schulen die Kompetenz „Bewertung“ gefördert werden. Dies entspricht der auch international oft formulierten Aufgabe der Förderung von „Scientific Literacy“ im Sinne von „science for citizenship“ (Kolstoe 2000). Allerdings wird Bewertungskompetenz nicht einheitlich verstanden. Ein Vergleich der Nationalen Bildungsstandards zeigt bereits, dass die verschiedenen Fachkulturen mit der Förderung von Bewertungskompetenz nicht nur unterschiedliche Fachinhalte, sondern auch unterschiedliche Zielsetzungen verbinden. Während im Biologieunterricht Bewerten ethischer Fragestellungen zentral sein soll und die Fähigkeit des Perspektivwechsels und der Toleranz gefördert werden sollen, sollen im Physikunterricht technologische Risiken und die Chancen und Grenzen physikalischer Sichtweisen bewertet werden können. Entsprechend werden die Nationalen Bildungsstandards Physik dahingehend kritisiert, dass sie eine systematische Bezugnahme normativen Urteilens und des Gebrauchs von Sach- und Fachwissen nicht explizit vorsehen (Schecker & Höttecke, 2007).
Unterschiede der Fachkulturen sind aber nicht nur von Seiten der Bildungsadministration gesetzt. Sie betreffen auch die epistemologischen Vorstellungen von Lehrern und Lehrerinnen und ihre Vorstellungen vom Lehren und Lernen (Pomeroy 1993, Markic et al. 2006). Epistemologische Vorstellungen beeinflussen die Verwendung wissenschaftlicher Evidenz in Bewertungssituationen (Kolstoe 2000, Edmondson & Novak 1993, Masons & Scirica 2006) und sind somit Teil des Problemfeldes. Physik- und Chemielehrer vertreten verglichen mit Biologielehrern eher traditionelle Vorstellungen vom Lehren und Lernen. Empiristische Vorstellungen von der Natur des Wissens und dem Prozess der Wissenschaft sind stark ausgeprägt (z.B. Höttecke 2007, Meyling 1990). Da Studien aus dem angelsächsischen Sprachraum sich mit den Vorstellungen von „Science“-Lehrern befasst haben, ist eine Analyse von Lehrervorstellungen und -haltungen getrennt nach Fachkulturen hinsichtlich ihrer epistemologischen Vorstellungen und ihres „pedagogical content knowledge“ (Shulman 1986, Loughran et al. 2006) bisher kaum sichtbar. Dieser Umstand betrifft auch die Lehrerexpertise im Bereich der Förderung von Bewertungskompetenz. Dass die Kulturen der Unterrichtsfächer Physik, Chemie und Biologie aber von den Schülern und Schülerinnen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, dafür sprechen z.B. Studien, die einen starken Abfall des Fachinteresses v.a. für Physik im Laufe der Sekundarstufe I diagnostizieren, während das Interesse an Biologie sich weitaus positiver entwickelt.
Unter Bewertungskompetenz wird in dem hier vorliegenden Forschungsvorhaben die Fähigkeit und die Bereitschaft verstanden, naturwissenschaftliche Sachurteile und sozial geteilte Werte und Normen systematisch aufeinander zu beziehen, um eigene Urteile und Handlungen legitimieren und vollziehen zu können (Bögeholz 2007, Hößle 2007). Dabei spielen die Fähigkeiten zur Übernahme fremder Perspektiven, zur Folgenreflexion, zur Unterscheidung deskriptiver und normativer Aussagen und ethisches Basiswissen eine Rolle. Das Richtziel gelingender Entwicklung von Bewertungskompetenz besteht darin, dass Lernende in gesellschaftspolitischen Kontexten Bewertungen vornehmen und Entscheidungen treffen können, die auf der Grundlage reflektierter Normen und Werte und zugleich auf der Grundlage wissenschaftlicher Sachinformationen gefällt werden.
Die Forschung indiziert allerdings, dass Bewerten und Urteilen kaum nach rationalen Kriterien erfolgt (Haidt 2001, Zeidler 2003). Naturwissenschaftliches Wissen scheint kaum eine Rolle zu spielen, da Bewertungen eher auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen, im besten Fall vermischt mit sachbezogenen Argumentationen vorgenommen werden und intuitiv gefällte Bewertungen und Entscheidungen lediglich post-hoc gerechtfertigt werden (Haidt 2001, Gebhard 2007, Simmons et al. 2003).
Die Forschungsarbeit findet im Projekt „Der Klimawandel vor Gericht“ statt (http://www.idn.uni-bremen.de/klimawandel/).
Die Dissertation soll zu einem besseren Verständnis dessen beitragen, was von den Akteuren verschiedener Fachkulturen unter Bewertung verstanden wird und wie man diese fördern kann.